Donnerstag, 6. September 2012

Die Walbauchbewohner

Leviathan, das alte Ungeheuer - dieser Dämon, der uns bei Thomas Hobbes als allmächtiger Vater Staat wiederbegegnet und von den Bürgern den völligen Souveränitätsverzicht abverlangt: Sitzen wir im Bauch des Wales fest?

Was können wir tun um unsere Freiheit und unsere Rechte zu erlangen?

Es ist ja so: wir leben in einer Gesellschaft, die gelenkt wird mit den Zügeln des Kapitalismus. Viele Menschen fühlen sich heute ohnmächtig - die Welt zieht in bunten Werbebildern, schrecklichen Kriegsmeldungen und Börsennews an uns vorbei, während wir zum Kühlschrank tappen um uns zur Beruhigung einen Becher Schokopudding zu holen.

Die meisten Menschen spüren ganz deutlich eine gewisse Unpäßlichkeit - es ist etwas faul in dieser Welt und es kann nicht so weiter gehen, so der generelle Tenor. Inzwischen weiß jeder, daß vieles, das wir hier in Europa zu günstigen Dumpingpreisen kaufen können, irgendwo anders auf diesem Globus mit ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und durch Kinderarbeit hergestellt wird.
Wir wissen auch, daß der Billigflieger, mit dem wir gerne in den Kurzurlaub fliegen würden, Kerosin verbraucht und Luftverschmutzung verursacht. Auch, daß unnötige Fahrten mit dem eigenen PKW zulasten der Umwelt gehen, das ahnen wir. Es ist inzwischen auch allgemein bekannt, daß die Erdbeeren und Kiwis, die wir im Winter im Supermarkt kaufen, von weither eingeflogen wurden. Und, daß der Supermarkt soviele Lebensmittel in den Abfall werfen muß, daran erinnern wir uns spätestens dann, wenn wir selbst wieder überschüssige Speisereste oder abgelaufene Lebensmittel in den Müll kippen.
Apropos Müll: wir trennen ihn zwar hierzulande brav, dennoch ist das Meer voller Plastik. Und den Atommüll, den müssen wir tief genug vergraben, sonst verstrahlt er uns, dennoch nützen wir noch Atomkraft...

Ja, heute spüren wir alle, was schief läuft auf diesem Planeten, dennoch fühlen wir uns alle sehr ohnmächtig. Selbst, wenn ich heute mal tiefer ins Geldbörserl greife und mir das teure Bio-Henderl aus Freilandhaltung gönne, so entlastet dies mein Gewissen nur temporär. Spätestens bei der nächsten "Fleischkassemmel" habe ich wieder dieses Gefühl, das ich früher hatte, als die Lehrerin mit dem Rotstift meine Schularbeiten korrigierte.
"Na, die Politiker sind Schuld! Und die Wirtschaftsbosse und Börsenspekulanten"
Wenn es grad so einfach wäre - wir alle wissen, daß auch sie Teil des Systems sind.
Wir stehen vor dem Dilemma in einer derart globalisierten, vernetzten Welt zu leben, die wir als einzelne freilich nicht mehr kontrollieren können - alles hängt miteinander zusammen und voneinander ab: die Wirtschaft, der Wohlstand, die Arbeit, die Umwelt, unser Klima...
Wir kultivieren Entfremdungsgefühle. Wir sitzen im Bauch des Wales. Es fehlt uns die Phantasie, wie wir uns vorm Ertrinken bewahren können im verrückten Falle, daß wir einfach aus dem Wal aussteigen...vielleicht sollten wir dennoch einmal ernsthaft überlegen, wie wir den Wal reiten können ohne, daß wir verschlungen werden?

Wir haben noch immer vieles, das wir selbst enscheiden können - wir sind nicht ohnmächtig. Wir können unseren Konsum steuern und ebenso umweltbewußt mit Ressourcen umgehen. Und wir können selbst unsere Politik machen - wir wählen (ja, hierzulande dürfen wir das nämlich!) und jeder bestimmt mit, deshalb sind wir Piraten!

Der Mensch hat ein Organ für die Utopie. Er darf es sich nur nicht kastrieren lassen.
 © Ulrich Erckenbrecht, (*1947)



Autorin: Irene L.

Bildquelle: Spermwal, um 1849, NYPL

2 Kommentare:

  1. Liebe Irene,
    du hast einen sehr guten Artiekl geschrieben! Ja, jede, jeder von uns kann in seinem persönlichen Umfeld etwas dazu beitragen! Oft machen wir den Fehler, wir wollen gleich alles verbessern - und scheitern. Dann sitzen wir mutlos herum. Also auf zur nächsten Aktivität. In solchen Fällen sage ich mir dann: Auch kleine Schritte führen zum Ziel!
    Und ich denke auch, dass die bereits bestehende Rohstoffkrise dazu führen wird, immer mehr nachhaltige Produkte herzustellen. Dieser globale neoliberale Raubtierkapitalismus schafft sich selbst ab! Zur Zeit schlägt er noch wild um sich wie ein weidwundes Tier. Prof. Bocker spricht von "Verzweiflungstaten"!
    Kennst du Bocker? FAlls nicht, ich habe mal über ihn geschrieben:
    http://schamaninkiat.over-blog.de/article-prof-dr-bocker-verzweiflungstaten-108726639.html

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den Hinweis, werd mal deinen Link lesen, denn den Bocker kannte ich noch nicht :-)

    AntwortenLöschen